Polnischer Gedenkstein von 1868 am Uetlibergweg ?

Beiträge zur Stadtgeschichte und Alt-Züri.
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Chronist

Polnischer Gedenkstein von 1868 am Uetlibergweg ?

Beitrag von Chronist »

Am Uetlibergweg oberhalb der Jucheggstrasse bei diesem kleinen Rastplatz befindet sich rechterhand ein kleiner überwachsener und leicht verwitterter Gedenkstein. Nirgends konnte ich einen Hinweis auf diesen Stein oder auf die damit geehrte Person erkennen.

Die Schrift ist wie gesagt schon leicht verwittert und ich vermute, dass es sich um einen polnischen Zeitgenossen gehandelt haben muss. Die ersten paar Zeilen konnte ich mal irgendwie zusammenstellen: Pamieci, Cyprjana Tabcenskiego, Kapitan... ... und fast am Schluss eine Jahreszahl, ich erkannte die Zahl 1868.

Ganz grob übersetzt würde das bis jetzt etwa heissen: Im Gedenken an Cyprjana Tabcenskiego, Hauptmann...
Weiss jemand mehr über diesen Stein oder gar diese Person? Besten Dank für allfällige Hinweise.
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Uetliberggeher

Re: Polnischer Gedenkstein von 1868 am Uetlibergweg ?

Beitrag von Uetliberggeher »

Hallo zusammen,
Bin auch schon über diesen Stein gestolpert und sehe jetzt erstmals, dass er ja eine Inschrift trägt. Manchmal sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht.

Auf der zweitletzten Zeile lese ich am Schluss: ZESZLEGO ????? 24.PAZD.1868. Ich könnte mir vorstellen, dass damit der 24. Oktober 1868 gemeint ist. (Oktober = pol. "październik", das könnte abgekürzt "paźd" lauten).

Ich schaue auch mal weiter. Vielen Dank für diese tollen Seiten mit aktiver Rätselbeteiligung.

Chronist

Re: Polnischer Gedenkstein von 1868 am Uetlibergweg ?

Beitrag von Chronist »

Von Frau Piotrowski von der Bibliothek des Polenmuseums in Rapperswil haben verdankenswerter Weise folgende Hinweise erhalten:

Die Anschrift am Stein lautet auf Polnisch: "Pamieci Cypriana Tabenskiego kapitana wojsk polskich ur. ......Litwie d. ..4 lipca ...41 r. zeszlego tutaj 24 paz 1868r. Przyjaciele i Koledzy" - was man übersetzen kann: In Erinnerung an Cyprian Tabenski, den Hauptmann des polnischen Heeres, geb.(-oren) .... in Litauen am 4. Juli (18)41, der hier am 24. Oktober 1868 gestorben ist. Freunde und Kollegen".

Cyprian Tabenski war politisch aktiv in Zürich im Slawischen Kreis. Wir wissen praktisch nicht von ihm. Ich kann mir vorstellen, dass am 24. Oktober 1868 ein Duell im Walde am Uetliberg statt gefunden hat... Die Ursache bleibt ein Geheimnis...

Herzlichen Dank an das Polenmuseum in Rapperswil für diese interessanten Ausführungen. Vielleicht findet sich ja auch in unseren Kreisen noch das Eine oder andere zur Person von Hptm Cypriana Tabenskiego.

Matthias

Re: Polnischer Gedenkstein von 1868 am Uetlibergweg ?

Beitrag von Matthias »

Etwas mehr als vier Jahre später, bin ich dem Geheimnis dieses Gedenksteines und um die damit geehrte Person näher gekommen.
Einmal mehr fand ich die Lösung nur per Zufall, in einem Jahrbuch von 1868 in polnischer Sprache.

https://www.wbc.poznan.pl/dlibra/show-c ... ?id=231665
Ein Nekrolog auf den Seiten 440 und 441 über Cypriana Tabenskie, löst das tragische Geheimnis auf.

Ich habe den Text, so gut es ging, aus dem polnischen abgeschrieben.
ROCZNIK
Towarzystwa Historyczno Literackiego
ROK 1868 / W Paryu

Tabenski Cyprina, syn wlasciciela ziemskiego z powiatu Lidzkiego, odbyl nauki szkplne w gimnazyum w Grodnie, a nastepnie ukonczyl wydzial fizycznomatematyczny na uniwersytecie w Moskwie. Powrociwszy do kraju bral czynny udzial w pracach narodowch, do ktorych szerokie naowczas odkrywalo sie pole. Wybuch ostatniego powstania zastal go w powiecie Kobrynskim, gdzie byl jednym z pierwszych zolnierzy Traugutta, po rozbiciu ktorego polaczyl sie zoddzialem Wroblewskiego i dzielil jego losy az do dnia 30 lipca 1863 r., kiedy w bitwie pod wsia Wielkie-Bojary w powiecie Wolkowyskim, kula karabinowa zgruchotala mu prawe ramie.

Zmuszony odbywac kuracye wsrod ciaglych niebezpieczenstw i tulania sie po chatach i dworach okolicznych, dlugi czas nie mogl sie zdecydowac na opuszczenie ziemi rodzinnej, do ktorej calem sercem byl przywiazany. Na emigracya udal sie dopiero w 1865 r. i przybil do Paryza. W trtydzeistym roku zycia, nie majac zupelnej wladzy w prawej rece, postanowil wziasc sie do nauki, zaczynajac na nowo od poczatkow i wszedl do Szkoly Montparnasse.

Pobyt jednak w Paryzu z wielu wzgledow byl dlan uciazlkiwy; brak srodkow materyalnych mocno sie uczuc dawal, zdrowie nie sluzylo, wyobrazenia jakie byl sobie utworzyl o Francyi i stanowisku emigracyi, ciezkiego na kadzdym kroku doznawaly zawodu.

Zachecony rada kilku przyjaciol, udal sie Tabenski do Szwajcaryi przed Wielkanoca 1867 r. i wkrotce wszedl do szkoly politechniczney w Zurichu. W listach do przyjaciol w Paryzu wyrazal jak najlepsza otuche,wychwalal zdrowe powietrze i peiknose Szwajcaryi, oraz wynosil sympatye jej mieszkancow i mlodziezy szkolnej dla sprawy polskiej.

Na dlugi czas przed jego smiercia, kol dzy Tabenskiego nie widzieli go smutnym ani zamyslonym. Dnia 24 pazdziernika 1868 r. w pare godzin po rozstaniu sie, w najweselzem uspospbieniu, z kilkoma z nich, odebral on sobie zycie wystrzalem z rewolweru na gorze Uetliberg pod Zurichem.

Przyczyna rozpaczy i samobojstwa byla, jak sie wyrazil w zostawionych listach do przyjaciol, tesknota za krajem i dwiema na Syberya zeslanemi siostrami, a przytem slabe w skutek odnawiajacej sie rany zdrowie, ktore mu odbieralo nadzieje byc jeszcze uzytecznym na swiecie.

Na trzeci dzien pochowano cialo Tabenskiego na cmentarzu protestanckim. Wszyscy uczniowie i profesorowie szkoly politechnicznej byl na pogrzebie, a dy rektor Szkoly przemowil po niemiecku z wielka dla zmarlego i rodakow jego zyczliwoscia i kilka dziennikow szwajcarskich umiescilo pelne wspolcucia artykuly.

Matthias

Re: Polnischer Gedenkstein von 1868 am Uetlibergweg ?

Beitrag von Matthias »

Hier eine automatische Übersetzung in die deutsche Sprache:
JAHRBUCH
Historische und literarische Gesellschaft
JAHR 1868 / In Paris

Tabenski Tsyprina, der Sohn eines Gutsbesitzers aus dem Bezirk Lida, absolvierte seine Schulzeit an einem Gymnasium in Grodno und schloss anschließend sein Studium an der Fakultät für Physik und Mathematik der Universität Moskau ab. Nach seiner Rückkehr ins Land beteiligte er sich aktiv an nationalen Arbeiten, für die zu dieser Zeit ein weites Feld entdeckt worden war. Der Ausbruch des letzten Aufstands fand ihn im Bezirk Kobryn, wo er einer der ersten Soldaten von Traugutt war, nach dessen Niederlage er sich der Einheit Wroblewskis anschloss und deren Schicksal bis zum 30. Juli 1863 teilte, als in der Schlacht am Im Dorf Wielkie-Bojary im Kreis Wolkowysk wurde er durch einen Gewehrschuss am rechten Arm zerquetscht.

Gezwungen, sich inmitten ständiger Gefahren einer Behandlung zu unterziehen und in den umliegenden Hütten und Herrenhäusern umherzuwandern, konnte er sich lange Zeit nicht dazu entschließen, sein Heimatland zu verlassen, dem er mit ganzem Herzen verbunden war. Er wanderte erst 1865 aus und landete in Paris. Als er in seinem dreißigsten Lebensjahr seine rechte Hand nicht mehr gebrauchen konnte, beschloss er, das Studium noch einmal ganz von vorne zu beginnen und trat in die Montparnasse-Schule ein.

Allerdings war sein Aufenthalt in Paris aus vielen Gründen belastend; Der Mangel an materiellen Mitteln machte ihm zu schaffen, sein Gesundheitszustand war nicht gut, die Vorstellungen, die er sich über Frankreich und die Lage der Auswanderung gebildet hatte, wurden auf Schritt und Tritt schwer enttäuscht.

Ermutigt durch den Rat mehrerer Freunde ging Tabenski vor Ostern 1867 in die Schweiz und besuchte bald das Polytechnikum in Zürich. In seinen Briefen an seine Freunde in Paris drückte er seine größte Ermutigung aus, lobte die gesunde Luft und Schönheit der Schweiz und lobte die Sympathie ihrer Einwohner und Schüler für die polnische Sache.

Lange Zeit vor seinem Tod sahen Tabenskis Freunde ihn weder traurig noch nachdenklich. Am 24. Oktober 1868, wenige Stunden nachdem er sich in bester Stimmung von mehreren von ihnen getrennt hatte, nahm er sich auf dem Uetliberg bei Zürich das Leben, indem er mit einem Revolver schoss.

Der Grund für seine Verzweiflung und seinen Selbstmord war, wie er in den Briefen, die er seinen Freunden hinterließ, zum Ausdruck brachte, die Sehnsucht nach seinem Land und seinen beiden nach Sibirien verbannten Schwestern sowie sein schlechter Gesundheitszustand aufgrund einer immer wiederkehrenden Wunde, die ihn beraubte jede Hoffnung, der Welt noch nützlich zu sein.

Am dritten Tag wurde Tabenskis Leichnam auf dem protestantischen Friedhof beigesetzt. Alle Schüler und Professoren der Polytechnischen Schule waren bei der Beerdigung anwesend, und der Direktor der Schule sprach auf Deutsch mit großer Freundlichkeit für den Verstorbenen und seine Landsleute, und mehrere Schweizer Tageszeitungen veröffentlichten mitfühlende Artikel.

Matthias

Re: Polnischer Gedenkstein von 1868 am Uetlibergweg ?

Beitrag von Matthias »

:idea: Entlang des heutigen Laternenweges am Uetliberg, wo heute tagtäglich viele Wanderer die Stelle passieren,
und sich bei der nahen Sitzbank eine Auszeit gönnen, nahm sich also 1868 hier der polnische Student Cyprian Tabenski das Leben.


Wir konnten dem Uetliberg nun also ein weiteres Gemeinis erntlocken.
Ein Geheimnis, hinter dem leider eine jahrzehnte alte tragische Verzweiflungstat steckt.
Aus dem einst "gewöhnlichen" Stein mit Inschrift ist nun eine traurige und nachdenkliche Geschichte geworden
und man betrachtet nun dieses Denkmal plötzlich mit ganz anderen Augen und Gedanken.

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