Die ehemalige „gewöhnliche Waldstatt“ als Richtstätte von Zürich in der Badenerstrasse in Aussersihl

Beiträge zur Stadtgeschichte und Alt-Züri.
Forumsregeln
Um Beiträge zu schreiben benötigen Sie kein Konto, eine Registrierung ist nicht notwendig. Kontos erhalten nur uns bekannte Personen die aktiv mitwirken. Die Beiträge werden durch einen Moderator freigeschaltet. Danke.
Antworten
Michael Fletterer

Die ehemalige „gewöhnliche Waldstatt“ als Richtstätte von Zürich in der Badenerstrasse in Aussersihl

Beitrag von Michael Fletterer »

Sehr geehrte Damen und Herren,
in „Eduard Osenbrüggen, Die Raben des heiligen Meinrad, 1861“ steht, dass die „gewöhnliche Waldstatt“ als Richtstätte von Zürich in der Badenerstrasse in Aussersihl war: „Da war eine amphitheatralische Vertiefung, eben die Hauptgrube. Im Jahr 1706 wurde sie ausgefüllt und an ihrer Stelle ein sogenannter Rabenstein erbaut, auf den einige Stufen hinanführten. Die alte Benennung Hauptgrube dauerte aber bis zur Beseitigung dieser Richtstatt, im September 1835, fort.“

Welche Bezeichnung, d.h. Platz oder Hausnummer, falls überbaut, hat die ehemalige Richtstätte in der Badenerstrasse heute?

mit freundlichen Grüssen
Michael Fletterer

Limmattaler

Re: Die ehemalige „gewöhnliche Waldstatt“ als Richtstätte von Zürich in der Badenerstrasse in Aussersihl

Beitrag von Limmattaler »

Hr. Redaktor Sandro Zimmerli schreibt zu diesem Thema in der Limmattaler-Zeitung vom 24. Juli 2016:

Viel häufiger als durch den Strang wurden in Zürich Todesurteile durch die ehrenhafteren Enthauptungen vollstreckt. Wie der Galgen befand sich an der Badener Strasse auch die sogenannte Hauptgrube. Auf diesem Platz wurden die Hinrichtungen mit dem Schwert vorgenommen. Sie befand sich auf Höhe der heutigen Verzweigung Anker-/Badenerstrasse.

Die Grube wurde 1706 durch den Rabenstein, einen erhöhten Platz ersetzt, um dem grossen Zuschauerandrang Herr zu werden. Mit der Abschaffung der Schwertstrafe wurde 1835 auch der Rabenstein aufgehoben. Hinrichtungen durch Verbrennung wurden auf dem «Grien», einer Sandbank der Sihl, vorgenommen. Mit der Annahme der neuen Kantonsverfassung 1869 durch das Zürcher Stimmvolk wurde die Todesstrafe schliesslich ganz abgeschafft.

Limmattaler

Re: Die ehemalige „gewöhnliche Waldstatt“ als Richtstätte von Zürich in der Badenerstrasse in Aussersihl

Beitrag von Limmattaler »

In der Zürcher Kirchenordnung von 1520-1675 (Seite 647) steht als Anmerkung zudem geschrieben:

Hauptgrube: Richtstätte für Enthauptungen, nach einer Vermutung an der Badenerstrasse 123, nach anderer beim Helvetiaplatz.

GlünggiStünggi

Re: Die ehemalige „gewöhnliche Waldstatt“ als Richtstätte von Zürich in der Badenerstrasse in Aussersihl

Beitrag von GlünggiStünggi »

Die Angabe Badenerstrasse 123 stamm von Ruoff, W. (1969). Die Hauptgrube. Zeitschrift Der Savigny-Stiftung Für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung, 86(1), 198–225. https://doi.org/10.7767/zrgga.1969.86.1.198

(1) Die Hauptgrube von Zürich 23 ) lag etwa 1100 m westlich vor dem Rennwegtor, links der alten Landstraße nach Baden, rund 100 m unterhalb der Kreuzung mit dem nach Wiedikon führenden ehemaligen Heerweg 24), der späteren Feldegg-, heutigen Ankerstraße. An ihrer Stelle 25) befindet sich heute das Haus Badenerstraße 123. Das Land jenseits der Badenerstraße war zehntfrei 26). Noch weiter westlich, an der Stelle des heutigen Freibades Letzigraben, stand auf einem kleinen, heute abgetragenen Hügel der Galgen. Es besteht wohl kein Grund daran zu zweifeln, daß die Hauptgrube schon seit je an derselben Stelle lag, daß sie insbesondere mit der 1415 in einem Urteil genannten Grube 27) identisch ist; 1453 finden wir erstmals und dann immer häufiger die Nennung als Hauptgrube 28).

23 ) Siehe allgemein A. Nüscheler, Ein historischer Gang durch die Nachbargemeinden der Stadt Zürich, in S. Vögelin , Das alte Zürich 2 (Zürich 1890) 627.
24) Β V 1, 269 (Ratsurkunden) wo 1508 als Anstößer an einen Acker im Sihlfeld u. a. die „houptgruoben" und der „herweg" nach Wiedikon genannt sind.
25) Genaue Lage in Zusammenarbeit mit Stadtarchivar P. Guyer auf Grund des Diezingerschen Planes von 1816/17 im Baugeschichtlichen Archiv der Stadt Zürich bestimmt. Dasselbe Bild zeigt Plan Β 451, Karte 5 von Hirzel, Vermessung des Bezirks von Wiedikon und Außersihl 1785—90 im Staatsarchiv. Die auf einer Karte von Nüscheler a. a. O. eingezeichnete Lage gegenüber der Einmündung der Langstraße kann nicht stimmen, weil diese damals noch gar nicht bestand.
26 ) So auf dem Plan von Diezinger bezeichnet
27) Β VI 202, 213r (Rats- und Richtbuch). Das Urteil ist abgedruckt bei Bluntschli, Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und Landschaft Zürich, 2. Aufl. 1(Zürich 1856) 417. — Eine weitere Nennung 1433 der Grube als Enthauptungsstelle VI 210, 290.
28) Β VI 218, 206 (Rats- und Richtbuch). Eine Nennung von 1478 in der Spitalurkunde C II 18, 942 ist von mehrfachem Interesse, weil dort in jener Gegend ein dem Frühmesser von St. Peter in Zürich zustehender Acker genannt wird. Es scheinen Beziehungen der St. Peterskirch e zu ehemaligem Reichsgut zu bestehen und die St. Petershofstatt war wohl ein alter Landgerichtsplatz.
Sodann läßt sich an Hand dieses Ackers nachweisen, daß von da weg mindestens die Hauptgrube sich am gleichen Orte befand. Siehe Nüscheler 637f.

Karten:
Auf der Gyger Karte ist nur der Galgen verzeichnet https://www.e-rara.ch/zut/content/zoom/6543894
Keller Plan : (Baum neben der Grube) https://www.e-rara.ch/zut/content/titleinfo/6505455
Diezinger Plan : https://www.e-manuscripta.ch/zuzneb/content/zoom/540467
Hirzel Plan https://suche.staatsarchiv.djiktzh.ch/d ... ?ID=271727
Der Plan von Johannes Müller zeigt leider das Gebiet nicht: https://www.maps.stadt-zuerich.ch/zueri ... Crich+1793
Interessanterweise aber auf dieser Litho von 1879 "nach Müller" jedoch vorhanden https://www.e-rara.ch/zut/content/zoom/6914483
https://www.e-rara.ch/zut/content/zoom/6914483 https://www.oldmapsonline.org/map/eth/6914483
https://www.e-rara.ch/zut/content/zoom/7186913

GlünggiStünggi

Re: Die ehemalige „gewöhnliche Waldstatt“ als Richtstätte von Zürich in der Badenerstrasse in Aussersihl

Beitrag von GlünggiStünggi »

Kann jemand, der im Besitz des 2. Bandes von "Das alte Zürich" nachschauen was dort in den angegeben Seiten von Nüscheler geschrieben steht? Vielen Dank.

Hier ein paar Gedanken und Anmerkungen von mir: Badenerstrasse 123 befindet sich ziemlich genau 100 Meter von der Kreuzung Anker-/Badenerstrasse entfernt . Soweit so gut. Wie aber Ruoff auf 100 Meter kommt ist mir nicht ganz klar. Wenn der Rabenstein bei der Hauptgrube das quadratische "Gebäude" auf dem Hirzel Plan ist, dann ist dieses ca. 430 Schuh von der Kreuzung entfernt. Das wären dann etwa 130 Meter. (https://de.wikipedia.org/wiki/Schweizer_Fuss). Selbiges ergibt sich auch, wenn man auf der Georeferenzierten Karte nachmisst. (was Ruoff damals natürlich nicht möglich war). Die Länge der Strecke der Badenerstrasse von Anker- bis Zweierstrasse scheint auf dem Plan von Hirzel ziemlich exakt zu sein, womit ich annehme, dass die Karte längentreu ist, auch wenn sie gerade im Bereich der Hauptgrube nicht ganz Winkeltreu ist. Somit ergibt sich, dass es eher Badenerstrasse 129 als Standort in Frage käme. Dieses Haus steht genau auf der Grenze von Wiedikon und Zürich: https://www.e-rara.ch/zut/content/zoom/7186863 und https://www.e-rara.ch/zut/content/zoom/7186913 Vergleiche dazu auch Plan von Diezinger Plan welche die Grenze ebenfalls eingezeichnet hat.

In Zwischenzeit habe ich diesen Plan https://www.e-rara.ch/zut/content/zoom/7186814 von A. Nüscheler gefunden, wo die Hauptgrube ebenfalls bei der Grenze eingezeichnet ist. Gar westlich der Grenze wenn wir auf die Mitte der Kartensignatur abstellen. Wenn Ruoff das als "gegenüber der Einmündung der Langstraße" bezeichnet, dann ist seine Badenerstrasse 123 geographisch, und mit den gegebenen Unsicherheiten, ebenso als "gegenüber der Einmündung der Langstraße" zu betrachten. Wie Ruoff richtig anmerkt ist jedoch der Karteneintrag "Lang-Strasse/Lang-Gasse" auf der Karte von Nüscheler nicht richtig, da es diese damals noch nicht gab. Es existierte damals nur die heutige Ankerstrasse.

Darum wäre es nun interessant zu wissen, was Nüscheler denn genau geschrieben hat. Wenn jemand im Besitz des 2. Bandes von "Das alte Zürich" nachschauen könnte, was dort genau geschrieben steht wäre das sehr hilfreich. Nochmals vielen Dank.

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste